Anlässlich der Endometriose- und Adenomyose-Awareness-Monate im März und April möchten wir bei This Place ein tieferes Verständnis für diese Erkrankungen erlangen und die persönlichen Erfahrungen von Betroffenen beleuchten.
Dazu haben wir uns mit Steffi unterhalten, die selbst mit Adenomyose lebt. Im Gespräch mit This Place teilt sie Einblicke in ihre Diagnose-Erfahrung, ihre persönlichen Herausforderungen mit Stigmata sowie Tipps und Strategien zur Bewältigung im Umgang mit der Erkrankung.
Wir hoffen, dass ihre Offenheit nicht nur dazu beitragen wird, das Bewusstsein für Endometriose und Adenomyose zu schärfen, sondern auch anderen betroffenen Individuen Mut und Unterstützung bietet.
Überblick: Was sind eigentlich Adenomyose und Endometriose?
Falls Du Dich fragst, was Endometriose und Adenomyose eigentlich sind, möchten wir Dir vor dem Interview einen kurzen Überblick verschaffen.
Endometriose und Adenomyose sind zwei oft verwechselte Erkrankungen, die Millionen von Individuen weltweit betreffen. Lange galt die Adenomyose als Unterform der Endometriose; heute weiß man, dass die Erkrankungen sich in ihrem Erscheinungsbild und ihren Symptomen unterscheiden.
Beide Erkrankungen betreffen das Endometrium – die Schleimhaut, die das Innere der Gebärmutter (den Uterus) auskleidet.
Bei der Endometriose tritt dieses Gewebe außerhalb der Gebärmutter auf – beispielsweise den Eierstöcken, Eileitern, im Bauchraum oder anderen Organen im Becken-Bereich.
Von einer Adenomyose spricht man hingegen, wenn dieses Gewebe in die Muskelschicht der Gebärmutter (das sogenannte Myometrium) einwächst, anstatt außerhalb davon zu wachsen. Dies führt oft zu einer Verdickung der Gebärmutterwand.
In beiden Fällen verursachen die abnormen Wachstumsorte des Gewebes Entzündungen, Schmerzen und andere Beschwerden, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen können.
Im Gespräch mit Steffi: ihre Erfahrungen mit Adenomyose
Die Diagnose einer Adenomyosis uteri
Adenomyose wird oft als "stilles Leiden" bezeichnet, da viele der betroffenen Frauen oft jahrelang keine Diagnose erhalten. Kannst Du uns von Deinen eigenen Erfahrungen damit berichten? Welche Symptome haben Dich dazu bewogen, ärztliche Hilfe zu suchen, und wie wurde die Diagnose gestellt?
Ich hatte immer wieder ganz extreme Schmerzen während meiner Tage. Wären die Schmerzen einigermaßen erträglich für mich gewesen, hätte es mich nicht sonderlich beunruhigt. Ich habe aber, neben ganz massiven, wellenartigen Krämpfen im Bauchraum zusätzlich immer Übelkeit, Erbrechen und Ohnmachtsanfälle. Ich kann mich dann aufgrund der Symptome nicht mehr auf den Beinen halten und liege die ersten beiden Tage weitestgehend im Bett. Meine Frauenärztin meinte zu alledem, dass ich als "chronisch kranke" Patientin (ich habe noch Migräne, Reizdarm und Rheuma) ohnehin das Vorhandensein von Schmerzen viel eher wahrnehmen würde. Diese Aussage fand ich nicht besonders freundlich, wenn ich ehrlich bin.
In der Ultraschalluntersuchung hat meine Ärztin dann aber festgestellt, dass meine Gebärmutterwand "merkwürdig" aussah und stark verdickt war. Ich habe sie dann darum gebeten, mir eine Überweisung für eine Klinik auszustellen, die eine Sprechstunde speziell für Endometriose anbietet.
Nach über 11 Monaten hatte ich dann meinen Termin für die Endometriose-Sprechstunde. Hier wurde der Verdacht meiner Frauenärztin bestätigt. Aufgrund chronischer Unterleibsschmerzen, Schmerzen beim Sex und meinen Darm-Beschwerden, leide ich neben Adenomyose vermutlich auch an einer Endometriose.
Da derzeit jedoch kein Organ in Gefahr ist und die Operation nicht "ohne" ist, habe ich mich zunächst gegen eine Bauchspiegelung entschieden. Im Gegensatz zur Endometriose kann ein "geschultes Auge" die Adenomyose in der Regel mittels Ultraschalluntersuchung erkennen.
Stigmata bei Erkrankungen der Gebärmutter
Themen wie Menstruation und verbundene Beschwerden von Patientinnen und Patienten sind leider häufig noch von Stigmata besetzt. Hast Du selbst entsprechende Erfahrungen gemacht, die Du gerne mit unseren Leserinnen und Lesern teilen möchtest?
Die Erfahrung habe ich schon oft gemacht. Oft verstehen einen nur die Menschen, die entweder selbst betroffen sind oder Nahestehende kennen, die an Adenomyose oder Endometriose leiden.
Viele verschweigen ihre Symptome oder Krankheit, da eher "intime" Organe betroffen sind und "Gebärmutterschleimhaut", "Geschlechtsorgane", "Blasendruck" oder "Schmerzen beim Geschlechtsverkehr" nicht zu den Begriffen zählen, die im täglichen Sprachgebrauch übermäßig verwendet werden. Ich kann also nachvollziehen, wenn man hiermit nicht sehr offen umgeht, da das Umfeld durchaus komisch reagieren kann.
Es wird sicherlich auch nur wenige Mütter geben, die detaillierte Infos zu ihrer Geburt und dem Wochenbett preisgeben, da es ebenso ein eher schambehaftetes, unangenehmes und intimes Thema ist - vergleichbar mit den Themen Adenomyose und Endometriose.
Unterstützung von Betroffenen
Wie können Menschen, die nicht von Adenomyose oder Endometriose betroffen sind, dazu beitragen, das Bewusstsein für diese Themen zu erhöhen und Betroffenen Unterstützung anzubieten?
Ich würde mir wünschen, dass Menschen, die nicht betroffen sind, aber von der Erkrankung erfahren (z. B. durch eine Betroffene oder aufgrund einer Doku, eines Berichts o. ä.), sich hierzu mit anderen austauschen, informieren oder zumindest das Thema im Hinterkopf behalten. Je mehr Menschen davon wissen, desto besser.
Die Begriffe Endometriose und Adenomyose kennen viele Menschen überhaupt nicht. Das ist sehr schade, aber auch nicht verwunderlich. Hat z. B. jemand einmal in der Frauenarztpraxis Informationen dazu im Wartezimmer gesehen? Ich finde dort gern Ratgeber zur Schwangerschaft, Impfung und zu den IGEL-Leistungen, aber zum Thema Endometriose oder Adenomyose habe ich noch nie etwas gesehen. Auch Politik und Ärzte behandeln diese Erkrankungen oftmals noch extrem stiefmütterlich. Dabei sind Forschung und bessere Behandlungsmöglichkeiten sowie Therapieansätze so wichtig.
Betroffenen sollte zudem mit mehr Empathie begegnet werden. Die Schmerzen sind nicht eingebildet und schränken den Alltag sehr stark ein.
Zuhören; Verständnis haben, wenn man kurzfristig einen Termin absagen muss, sich wieder einmal krank melden muss und auf Floskeln verzichten wie "Vielleicht ist das auch psychisch bedingt", "Versuche es doch mal mit....", oder "Ich kenne da eine Heilpraktikerin..." – das sind ein paar Punkte, die ich einem Menschen, der davon nicht betroffen ist, gern als "Impulse" mitgeben möchte.
Selbstfürsorge im Kontext von Adenomyose und Endometriose
Hat sich Deine Sichtweise auf ganzheitliche Gesundheit durch Deine Erfahrungen mit Adenomyose verändert? Inwiefern spielt hier Selbstfürsorge eine Rolle?
Durch meine anderen chronischen Erkrankungen habe ich bereits mein Leben "umgekrempelt". Das heißt, ich habe die Ernährung umgestellt, höre mehr auf mich und meinen Körper und setze nicht mehr so viel auf die Meinungen anderer Menschen. Ich nehme mir Zeit für Dinge, die mir Kraft schenken und habe den Freundes- und Bekanntenkreis aussortiert. Mit Menschen, die mir nicht guttun, möchte ich keine Zeit verbringen – das klingt etwas radikal, doch es geht mir damit besser. Ich möchte nur von Menschen umgeben sein, die Verständnis für mich haben und mir Kraft geben.
Wünsche für die Zukunft
Wie würdest Du Dir eine ideale Umgebung für betroffene Frauen vorstellen, sowohl in persönlicher als auch in beruflicher Hinsicht? Welche Veränderungen wünschst Du Dir für die Zukunft?
Da ich einer Selbsthilfegruppe angehöre, kann ich auf jeden Fall sagen, dass sich fast alle Betroffenen mehr Verständnis wünschen. Sowohl in persönlicher und beruflicher Hinsicht.
Einige Frauen haben schon ihren Partner verloren, weil die Erkrankung nicht selten das Sexleben einschränkt oder auch für lange Zeit unmöglich macht. Manche Männer können damit nicht umgehen, was sehr schade ist. Hier wäre also ein verständnisvoller Partner, der der betroffenen Frau keinen Druck macht, sondern Rückhalt, Geborgenheit und Zeit gibt, wünschenswert.
Auch von Freund:innen und Familie würden sich viele betroffene Frauen mehr Unterstützung wünschen. Vor allem, wenn man aufgrund von Symptomen kurzfristig eine Verabredung absagen muss oder Ähnliches.
Im beruflichen Alltag ist es ebenso schwierig. Fehlzeiten sind in den meisten Fällen unvermeidbar. Ideal wäre daher ein sehr flexibel gestaltbarer Arbeitsplatz, doch diese sind selten und in manchen Branchen natürlich auch nicht realisierbar. Auch hier wäre jedoch mehr Verständnis hilfreich. In unserer Selbsthilfegruppe gibt es nur eine Frau, deren Arbeitgeber von ihrer Erkrankung weiß. Die meisten Vorgesetzten und Chefs sind männlich. Für sie ist das Thema noch unbekannter als bei Frauen und man hat zu große Angst, darüber zu sprechen.
Wir würden uns daher allgemein mehr Akzeptanz und Verständnis in der Gesellschaft wünschen. Erkrankungen der Gebärmutter stehen nach wie vor im Schatten. Je mehr über diesen Bereich bekannt wird, desto mehr wird vermutlich auch die Toleranz und Offenheit zunehmen.
Abschließender Rat für Betroffene
Abschließend, welchen Rat oder welche Botschaft möchtest Du anderen Frauen mit Adenomyose oder Endometriose mit auf den Weg geben?
Hinterfrage mehr, was Dir angeboten wird. Ich persönlich nutze kein Social Media, doch die meisten aus der Selbsthilfegruppe nutzen solche Plattformen. Hier werden immer wieder Vorschläge und Tipps gegeben, die leider oft – ohne hinterfragt zu werden – zur Kenntnis oder gar als Kaufreiz genommen werden.
Entscheide selbst, welche Behandlung Du in Angriff nehmen möchtest und lass Dich nicht zu irgendetwas drängen. Es ist Dein Körper, Deine Gesundheit und Deine Entscheidung. Gegebenenfalls hilft bei unklaren Situationen, sich eine Zweitmeinung bei einem anderen Arzt oder oder einer anderen Ärztin einzuholen.
Hinterfrage generell auch Deinen Lebensstil. Gibt es in deinem nahestehenden Umfeld Menschen oder Angewohnheiten, die Dir nicht gut tun? Möchtest Du es immer allen recht machen oder denkst Du auch an Dich? Belastet Dich etwas? Hast Du genug Zeit für dich?
Aus eigener Erfahrung und auch aus der Selbsthilfegruppe habe ich festgestellt, dass viele der Betroffenen sehr ehrgeizig, teilweise auch sehr streng mit sich selbst sind und viel zu oft ihr Leben gesellschaftlichen Erwartungen anpassen.
Ich selbst bin zum Beispiel hochsensibel und musste lernen, gegenüber anderen für meine Grenzen einzustehen. Seit ich dazu stehe und mein Leben auch weitestgehend darauf eingerichtet habe, fühle ich mich mental schon viel besser – vor allem habe ich diesen permanenten Stress nicht mehr.
Das ist nicht einfach, denn viele Menschen stecken einen immer gleich in eine Schublade und äußern Kommentare wie "Du übertreibst vielleicht ein wenig", "Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass alles psychosomatisch ist?" oder "Wie, du hast keinen Freund?", "Willst Du denn keine Kinder haben?", "Wer versorgt dich denn dann im Alter?". Auch hinter meinem Rücken fallen Bemerkungen wie "Die ist schon sehr empfindlich" oder "Immer sagt sie ab, wenn Veranstaltungen sind".
Was ich sagen möchte: Die Menschen, die einen lieb und gern haben, werden einen genau so akzeptieren, wie man ist. Ich möchte dazu anregen, darüber nachzudenken, ob man aktuell mit seinem Leben und dem Umfeld glücklich ist oder ob es Dinge gibt, die unnötigen Stress bereiten.
Wenn man chronisch krank ist, ist es extrem wichtig, "Kraftspender" zu haben, auf welche man in besonders schwierigen Situationen zurückgreifen kann. Das kann zum Beispiel die Lieblingsmusik sein, die man ganz entspannt auf dem Sofa oder Bett hört. Vielleicht tut es einem gut, etwas zu basteln oder zu malen; dem anderen hingegen schenkt es Kraft, Zeit mit Freund:innen zu verbringen.
Diese Kraftspender können die Krankheit natürlich nicht heilen, aber es ist wichtig, auf sich zu achten und gegebenenfalls auch einmal "Nein" zu sagen. Ein weiterer hilfreicher Ratschlag könnte es sein, einer Selbsthilfegruppe beizutreten. Diese regelmäßigen Treffen zum Austausch mit Gleichgesinnten, insbesondere auch Online, können eine wertvolle Unterstützung bieten.